Redebeitrag von Olav Gutting MdB im Deutschen Bundestag am 25. Mai 2007

















Sehr geehrte Damen und Herren, die Einkommensteuer ist neben der Umsatzsteuer die ertragreichste Steuer. Sie ist die Steuer, welche neben der objektiven auch die subjektive Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen berücksichtigt und damit das Leistungsfähigkeitsprinzip wahrt.

Als direkte und damit für jeden Bürger direkt spürbare Steuer eignet sich die Einkommensteuer - wie der Antrag der Linken zeigt - sehr gut dazu, um mit einer sog. "Reform" auf sich aufmerksam zu machen.

Die Forderung nach einem gerechteren Steuersystem ist nichts Neues. Schon einige haben sich daran versucht. Durchschlagende Erfolge blieben bisher allen versagt.
Ursache war dabei auch immer wieder der Bund-Länder-Finanzausgleich. Die jetzt stattfindenen Verhandlungen im Rahmen der Förderalismusreform Teil 2 können damit auch die Grundlage schaffen für einen neuen Anlauf für eine durchgreifende Reform der Einkommensteuer. Das wäre dringend notwendig. Insbesondere das Einkommensteuerrecht hat sich zu einem Steuerdschungel entwickelt.

Kein noch so gewiefter Steuerexperte kann für sich heute noch in Anspruch nehmen, den Wust der Steuergesetze und –Verordnungen mit unzähligen Paragraphen, bald 100.000 Verwaltungsvorschriften und nahezu ebenso vielen Finanzgerichtsentscheidungen zu durchschauen. Wo Steuerberater, Finanzbeamte und auch Fachpolitiker den Überblick zu verlieren drohen hat auch der einfache Steuerbürger keinen Durchblick mehr.

Dabei ist es bei weitem nicht nur die Politik allein am Steuerdschungel schuld.
Es hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Art Schaukel gebildet. Auf der einen Seite steuerliche Abschreibungsspezialisten, die Steuersparmodelle austüfteln, die nicht selten als äußerst grenzwertig zu bezeichnen sind. Auf der anderen Seite die Politik und die Finanzadministration die hierzu dann Gegenmaßnahmen entwickeln muss.

Jetzt versucht hier die Linke mit der wiederholten Forderungen nach noch mehr Umverteilung eine erneute Neidkampagne zu entfachen.
Den Linken geht es in erster Linie nur darum, mit populistischen Forderungen auf sich aufmerksam zu machen.
Ihr angeblicher Kampf um mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft ist im Grunde genommen nichts anderes als die Fortsetzung des sozialistischen Klassenkampfes.
Hierzu ist Ihnen jedes Mittel Recht. Sie schrecken wie gewohnt auch nicht vor falschen Behauptungen zurück.

Lassen Sie mich kurz auf ein Beispiel in Ihrem heutigen Antrag eingehen. Da heißt es in Ihrer Begründung am Ende des 2. Absatzes: "Dies führt in der Konsequenz dazu, dass auf 12.700 Euro bereits 23,5 Prozent Steuern gezahlt werden müssen". Hier setzen Sie auf die steuerpolitische Unbedarftheit Ihrer Klientel.
Dass, was sie dort als Gesamtsteuerabgabe ettiketieren, ist in Wirklichkeit nichts anderes, als die Grenzsteuerbelastung.
Das bedeutet, dass nur der 12.700-ste Euro bei einem Einkommen von 12.700 EUR mit 23,5 Prozent zu versteuern ist und nicht – wie Sie weismachen wollen – die gesamten 12.700 Euro!
Sie schrecken offenbar vor keiner noch so platten Tatsachenverdrehung zurück, sofern sie sich dazu eignet, Stimmungen zu schüren.

Hauptsache, es passt in Ihre sozialistischen Planspiele. In Wahrheit beträgt nämlich der Durchschnittssteuersatz bei einem Einkommen von 12.700 EUR lediglich 7,7 Prozent.
Lassen Sie mich aber auch noch auf eine weitere populistische Attitüde in Ihrem Antrag aufmerksam machen.

So greifen Sie an, dass Steuerpflichtige mit einem Jahreseinkommen von lediglich 20.000 EUR durch die letzte Einkommensteuerreform nur um 1.170 EUR entlastet wurden, während Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 500.000 EUR um über 40.000 EUR entlastet wurden.

Wissen Sie, es ist nun mal bei einem linear progressiven Steuersystem mathematisch zwingend, dass Steuerentlastungen konsequenterweise zu einer nominal höheren Entlastungen bei höheren Einkommen führt.
Wer nur 1.000 Euro Steuer zahlt kann eben nicht mit 2.000 Euro entlastet werden.

Eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist im Übrigen auch keine Einbahnstraße.
Lassen Sie mich aber an dieser Stelle noch darauf aufmerksam machen, dass in Deutschland die Einkommen über 57.000 EUR jährlich, obwohl diese nur 15 % der Steuerpflichtigen ausmachen, 65 % an der vereinnahmten Einkommensteuer beitragen.

Die Hälfte aller Einkommensteuerzahler tragen über 90 % der vereinnahmten Einkommensteuer die andere Hälfte also die eher gering verdienende Schicht, trägt weniger als 10 % zur Einkommensteuer bei.
Die starken Schultern, die Leistungsträger wie zum Beispiel Facharbeiter tragen in unserem Land heute bereits fast die gesamte Steuerlast.

Wer Ihnen wie Sie noch mehr aufbürden will, der zerstört die Grundlage des Wohlstandes in diesem Land. Nehmen Sie den Leistungsträgern die Motivation sich anzustrengen und sie haben bald gar nichts mehr zum umverteilen.

Manchmal habe ich den Eindruck, Sie sind erst dann zufrieden wenn in diesem Land alle arm sind.
Die Aufforderung zu mehr Steuergerechtigkeit ist für sich genommen ein ebenso ehrenwertes, wie erstrebenswertes Ziel. Wie Sie wissen, haben auch wir uns diese Zielsetzung verschrieben. Ich darf nur an die Konzepte der Kollegen Uldall, Merz und zuletzt Kirchhof erinnern.
Deren Umsetzung ist leider an den aktuellen koalitionären Verhältnissen gescheitert, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Ich bin der Meinung, dass wir uns primär über Wege zur Steuervereinfachung unterhalten sollten.

Nur ein einfaches und verständliches Einkommensteuerrecht ist ein gerechtes Steuerrecht.
Der Steuerdschungel führt dazu, dass die Steuergerechtigkeit auf der Strecke bleibt. Auch das Wirtschaftswachstum wird gehemmt und der Wohlstand der Gesellschaft wird insgesamt beeinträchtigt.

Die Arbeit der Großen Koalition ist zunächst einmal geprägt von den Anstrengungen, die Staatsfinanzen zu sanieren und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Beides wurde mit Erfolg auf den Weg gebracht. Ich will hier nur an das 25 Mrd. EUR-Impulsprogramm im Jahr 2006 erinnert.

In den nächsten Jahren werden wir uns verstärkt um die Eindämmung der Paragraphenflut kümmern. Diese Vereinfachung führt automatisch schon zu mehr Steuergerechtigkeit.

Das gilt gleichermaßen für große und kleine Steuerzahler. Geeignete Konzepte liegen zur Genüge vor. Ihr Konzept zur Umverteilung und Zerrstörung von Leistungsanreizen gehört jedoch nicht dazu und ist deshalb abzulehnen.