Olav Gutting MdB: Steueroasen innerhalb Europas können nicht mehr geduldet werden - Rede zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Konsequenzen aus den Steuervergehen durch Finanztransfers ins Ausland


Wer die Bibel kennt, weiß: Schon Kaiser Augustus hatte vor 2000 Jahren Schwierigkeiten beim Steuereintreiben. Und auch im Mittelalter haben die Leute ihre Schweine und Hühner versteckt, wenn des Königs Steuereintreiber kamen. Steuerhinterziehung ist kein Phänomen unserer heutigen Zeit. Es gibt sie schon so lange wie es Steuern gibt.

Steuerhinterziehung oder besser der Betrug des Einzelnen zu Lasten der Allgemeinheit ist auch nicht auf bestimmte Schichten beschränkt. Es gibt den Hartz IV Empfänger, der Vermögen verschweigt und Leistungen erschleicht, den Rentner, der sich sein Wohnzimmer vom Handwerker ohne Rechnung Tapezieren lässt, den Familienvater, der beim Fahrtenbuch schummelt, die Studentin, die schwarz in der Kneipe jobbt und den Spitzensportler, Topmanager oder Showstar, der nach Liechtenstein Stiften geht.

Wichtig ist festzuhalten: Es sind nicht alle, sondern in der Regel einige wenige. Vor Pauschalverurteilungen, wie sie in den letzten Tagen zu hören waren, sollten wir uns hüten.

Die Ursachen für den Betrug an der Gemeinschaft aller in unserem Staat Lebenden sind vielfältig.

In der Regel ist es eine Melange aus zu hoher Abgabenlast, und dazu zählen nicht nur Steuern, sich bietenden Gelegenheiten und moralischer Schwäche. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei auch das Gefühl des Steuerzahlers bezüglich dessen, was mit seinem Geld passiert. Wer ehrlich und anständig Steuern bezahlt, möchte sein hart verdientes Geld nicht in Milliardenlöchern im Bundeshaushalt verschwinden sehen.

Die mittlerweile monströse Umverteilungsmaschinerie die wir in diesem Land in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben gibt vielen Menschen nicht das Gefühl, dass ihr Geld beim Deutschen Fiskus in guten Händen ist.

Dieses Gefühl gibt es gerade auch bei denjenigen, die als kleine Gruppe von weniger als 10 % mehr als die Hälfte des Einkommensteueraufkommens in Deutschland erwirtschaften.

Viele haben das Prinzip Linke Tasche, rechte Tasche durchschaut und verlieren darüber ihre Steuermoral.

Die Menschen wollen von Ihrem Steuergeld auch etwas sehen. Keiner zahlt gerne Steuern für vermeintliche Wohltaten des Staates aus der Vergangenheit. Auch aus diesem Grund ist das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts wichtig.

Den Betrug am Staat, am Allgemeinwesen werden wir nie völlig zurückdrängen können. So lange es Steuern und Abgaben gibt, wird es Versuche geben, diese zu vermeiden.

Und so lange der Staat Leistungen anbietet, wird es Menschen geben, die versuchen, diese auch unberechtigt zu erhalten.

Das soll nun nicht bedeuten, dass wir uns dem Schicksal der Steuerhinterziehung fügen müssen.

Selbstverständlich hat unser Staat und haben wir als Gesetzgeber die Pflicht zu handeln. Hier ist aber zu unterscheiden zwischen tauglichen und untauglichen Mitteln.

Klar ist, Steueroasen innerhalb Europas können nicht mehr geduldet werden. Ob Liechtenstein, Monaco oder Luxemburg: hier ist die Europäische Gemeinschaft aufgerufen, der teilweise staatlich organisierten Steuerhinterziehung einen Riegel vorzuschieben.

Zwar wird es dann immer noch die Cayman Islands, Bermudas oder Singapur geben. Geld aus Deutschland dorthin zu transferieren, ist jedoch lange nicht so bequem, wie ins Nachbarland zu gehen.

Die Große Koalition hat in den letzten beiden Jahren bereits eine Vielzahl von Abschreibungsmodellen und legalen Steuertricks abgeschafft. Mit dem Austrocknen der illegalen europäischen Steueroasen muss dieser Weg konsequent fortgesetzt werden.

Untauglich hingegen sind höhere Strafen. Wir sollten hier nicht den Eindruck erwecken, dass Steuerhinterzieher in Deutschland mit Samthandschuhen angefasst werden. Die Realität ist eine andere. Die Justiz verhängt in der Regel empfindliche Strafen gegen ertappte Steuersünder. Zu Recht. Hinzu kommt die „soziale Strafe“, die die Betroffenen zusätzlich erfahren.

Noch sind nicht alle Einzelheiten der aktuellen Steuerhinterziehungsfälle bekannt und ich möchte hier noch einmal daran erinnern, dass es im Deutschen Recht eine Unschuldvermutung gibt.

Aber eines hat die aktuelle Debatte bereits heute gebracht: Das Bewusstsein, dass für eine funktionierende Gesellschaft auch Moral und Werte wie Anständigkeit und Gemeinsinn eine Rolle spielen, wurde geschärft.

Wer sich außerhalb des Gesetzes und der Gemeinschaft stellt, kann sich nicht als heimlich bewunderter Steuerakrobat fühlen, sondern muss mit der Ächtung durch die mehrheitliche Gemeinschaft der Ehrlichen rechnen.