60 Jahre Bundesvertriebenengesetz – eine Erfolgsgeschichte

Forderung nach Gedenken an deutsche Heimatvertriebene im Rahmen des internationalen Weltflüchtlingstags

Auf dem Foto: Olav Gutting MdB in seinem Berliner Abgeordnetenbüro.

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Plenarsitzung am gestrigen Donnerstag an die Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes vor 60 Jahren erinnert. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, was es bedeutete, dass die junge Bundesrepublik, ein kriegszerstörtes Land, Millionen mittelloser Flüchtlinge und Vertriebene aufnehmen und integrieren musste. Geduld, Tatkraft und Optimismus der Menschen haben dabei viel bewirkt. Aber auch wegweisende politische Entscheidungen, zu denen ganz sicher auch das Bundesvertriebenengesetz gehört. Mit diesem Gesetz wurden die Weichen für die Integration und Zukunft vieler Millionen Menschen gestellt. Die Aufnahme und Eingliederung der etwa 12 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen ist eine deutsche Erfolgsgeschichte, die vor allem geprägt ist durch die Menschen, für die dieses Gesetz geschaffen wurde. Sie mussten ihre Heimat verlassen und konnten auf der Grundlage dieses Gesetzes einen neuen Anfang wagen.

Sie haben hierfür eine bewundernswerte Gegenleistung erbracht. Trotz des Leidens und der Traumatisierung durch Flucht und Vertreibung haben sie nicht nur durch ihre Leistung zum Wohlstand in unserem Land beigetragen, sondern sich auch früh für eine Versöhnung mit den anderen europäischen Völkern eingesetzt. Das Gesetz aus dem Jahre 1953 sei ein Dokument für gelebte Solidarität in Deutschland, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in einer Regierungserklärung zum Jahrestag. Die Vertriebenen hätten Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur materiell wiederaufgebaut, sondern auch wesentlich an den geistig-moralischen Grundlagen der Freiheitsordnung mitgearbeitet.

Die Charta der Heimatvertriebenen stelle eine „große Geste des Friedens“ dar, sagte Friedrich am Donnerstag im Bundestag. Der CSU-Politiker hob die Versöhnungsbereitschaft der Vertriebenen mit den östlichen Nachbarländern hervor. Sie hätten damit Brücken gebaut, lange bevor es Gespräche auf staatlicher Ebene gegeben habe. Das Bundesvertriebenengesetz regelt die Aufnahme, Betreuung und Eingliederung von Vertriebenen und Aussiedlern. Es ist ebenfalls die Grundlage für die Aufnahme und Integration von bisher 4,5 Millionen Spätaussiedlern aus den Staaten Ostmittel- und Südost-Europas. Es bildet das Fundament für die Unterstützung und Förderung der deutschen Minderheiten in den Herkunftsstaaten der Aussiedler. Auf seiner Grundlage stellen wir heute den Erhalt und die Pflege des kulturellen Erbes der Vertriebenen und Flüchtlinge sicher.

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder erinnerte daran, dass die Vertriebenen in der Nachkriegszeit nicht überall in der Bundesrepublik willkommen gewesen seien. Sie hätten „Heimat, Unterkunft und Chancen gesucht“ wie viele andere Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg auch. Kauder berichtete, dass seine Eltern als Deutsche aus dem ehemaligen Jugoslawien vertrieben worden seien. Als „Kind von Vertriebenen“ habe er in seiner Schulzeit nicht „von Anfang an dazugehört“. Er habe selbst einen Beitrag leisten müssen, um in diese neue Gesellschaft hineinzuwachsen. Ohne den starken Willen zur Integration wäre die Aufgabe nicht gelungen, sagte Kauder.

Die Nationalsozialisten seien für die Vertriebenen das „Unglück ihres Lebens“ gewesen, berichtete der Fraktionsvorsitzende. Seine Mutter habe ihm damals gesagt: „Wenn die Nazis nicht gekommen wären, hätten wir ein anderes Leben führen können.“

Der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg Thomas Strobl erinnerte daran, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatsminister Bernd Neumann den Beginn des Baus des Dokumentationszentrums der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Berliner Deutschlandhaus eingeläutet haben. Dieser Baubeginn sei im Hinblick auf die Erinnerungskultur in Deutschland vor allem für die jüngere Generation ein bedeutendes Ereignis. Jeder vierte Deutsche habe Wurzeln in den ehemaligen deutschen Gebieten oder Siedlungsräumen, und die nachfolgenden Generationen interessierten sich für das Leben ihrer Vorfahren.

„Wir als Union haben uns lange einen eigenen Gedenktag für die Vertreibung von Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg gewünscht. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Versöhnung in Deutschland inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass dem Schicksal von vielen Millionen Deutschen, das sich als Folge des Zweiten Weltkrieges ergab, frei von revisionistischen Gedanken gedacht werden kann. Gleichzeitig sind wir uns unserer historischen Verantwortung bewusst. Wir wissen, etwa durch die Berichte aus Syrien, dass solches Leid auch heute Millionen von Menschen heimsucht.“

Nach einem vom Bundestag verabschiedeten Antrag der Koalitionsfraktionen wird sich die Bundesregierung bei den Vereinten Nationen dafür einsetzen, den Weltflüchtlingstag am 20. Juni um das Gedenken an Heimatvertriebene zu ergänzen. Dieser Gedenktag soll dann auch in Deutschland begangen werden.