Fluchtursachen bekämpfen

Deutscher Bundestag verabschiedet Antrag der Koalitionsfraktionen

Die Koalitionsfraktionen haben in dieser Woche den Antrag „Fluchtursachen bekämpfen – Aufnahmestaaten um Syrien sowie Libyen entwicklungspolitisch stärken“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Damit wollen sie die Staaten um Syrien bei der Bewältigung der hohen Flüchtlingszahlen stärker unterstützen und Fluchtursachen effektiver eindämmen. „Der Schlüssel für die Lösung ist, die Fluchtursachen in den Nachbar- und Herkunftsländern so zu bekämpfen, dass die Menschen eine Zukunfts- und Bleibeperspektive haben“, betonte die Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Dagmar Wöhrl, in der Debatte an diesem Donnerstag.

Hintergrund: Deutschland und Europa wollen sich mehr denn je für die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Krisengebieten des Nahen Ostens und Afrikas einsetzen. Der Fokus dieses Antrags liegt auf Syrien, wo seit mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg herrscht, und den angrenzenden Staaten, in denen rund 4,8 Millionen syrische Flüchtlinge untergekommen sind. Aber auch Libyen, wo eine neue Einheitsregierung mit Unterstützung der Vereinten Nationen Fuß zu fassen versucht, gerät als Transitland für Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika immer mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei der Fluchtursachenbekämpfung handelt es sich um eine ressortübergreifende Aufgabe, bei der besonders die Entwicklungspolitik gefragt ist, wie die Fraktionen von Union und SPD konstatieren. Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen nicht mehr aus Syrien fliehen, ist allerdings ein Ende des Bürgerkriegs. Darauf hat die Entwicklungspolitik keinen Einfluss.

 

Zunächst geht es darum, im Kriegsland Syrien selbst sowie in den Nachbarstaaten Jordanien, Libanon, Irak und der Türkei die Grundbedürfnisse des Überlebens für die Flüchtlinge zu sichern. Darüber hinaus müssen aber auch Lebensperspektiven für die Menschen geschaffen werden. Das betrifft vor allem die schulische Ausbildung, damit keine „verlorene Generation“ heranwächst. Der Zugang zu Bildung ist nach Erhebungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR einer der wichtigsten Faktoren bei der Entscheidung, ob Menschen die Krisenregion verlassen und nach Europa ziehen. Gleichzeitig müssen für die Flüchtlinge Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Schließlich geht es darum, die Infrastruktur der Kommunen zu verbessern, in denen die Flüchtlinge untergekommen sind und die enorm belastet sind. 86 Prozent der syrischen Flüchtlinge in der Region leben nicht in Auffanglagern, sondern in Dörfern und informellen Siedlungen.

Die Belange der einheimischen Bevölkerung müssen stets mitberücksichtigt werden, damit Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen nicht eskalieren. Die Koalition würdigt in ihrem Antrag, dass die Bundesregierung schon einiges getan hat. So stellte sie im Rahmen der Syrienkrise seit 2012 bereits 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Deutschland ist somit der drittgrößte Geber. Bei der Londoner Geberkonferenz für Syrien gab Berlin die höchste Einzelzusage ab mit 2,3 Milliarden Euro bis 2019. Den Trust Fund für Syrien, aus dem nach einem Ende des Konflikts der Wiederaufbau finanziert werden soll, kofinanzierte die Bundesregierung mit 33,7 Millionen Euro.

Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt sich an der Anschubfinanzierung zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region mit 200 Millionen Euro. Auch über die Europäische Union ist Deutschland finanziell an der Fluchtursachenbekämpfung beteiligt. Für eine faire Handelspartnerschaft mit den Entwicklungs- und Schwellenländern warb auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Angesichts der rund 60 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, sprach er von einer „ganz neuen Dimension von globaler Zusammenarbeit und Verantwortung“ und „einer Partnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern“. Unter anderem brauche die Europäische Union ein neues Nachbarschaftskonzept, einen Flüchtlingskommissar und einen Flüchtlingsfonds. Außerdem forderte Müller eine Verdoppelung der weltweiten Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, eine Vervielfältigung der privaten Investitionen in Entwicklungsländer und mehr Investitionen in nachhaltige Entwicklung, auch in Deutschland.