Rede von Olav Gutting MdB am 22. April 2010 im Bundestag: Die Union plant keine Abschaffung der Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit

Berlin. Folgende Rede hielt der CDU-Bundestagsabgeordnete Olav Gutting am 22. April 2010 im Deutschen Bundestag: Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD stellt hier heute einen Antrag, dass die Steuer­freiheit der Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Schicht­arbeit für alle Zeiten unangetastet bleiben soll. Man wundert sich geradezu, dass Sie nicht beantragen, dass wir das ins Grundgesetz hineinschreiben. (Martin Gerster [SPD]: Gute Idee!) Es ist ein reines Wahlkampfmanöver der SPD. Sie versuchen hier wider besseres Wissen, die Union als Par­tei hinzustellen, die die Abschaffung der Steuerfreiheit der Zuschläge will. Nur: Die Union plant gar keine Ab­schaffung der Steuerfreiheit dieser Zuschläge. (Florian Pronold [SPD]: Dann können Sie ja zustimmen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sind Sie sich sicher?)

Das würde im Übrigen auch unserem Ansatz widerspre­chen, der besagt: Wir wollen für die Menschen in Deutschland mehr Netto vom Brutto. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Diese Debatte heute hat schlicht und ergreifend zwei Ursachen. Die eine ist: Wir stehen kurz vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Die andere ist: Es liegt ein Gut­achten vor, in dem die Ergebnisse der Beurteilung der Steuerfreiheit der Zuschläge schwarz auf weiß niederge­legt wurden. Es war Ihr Finanzminister Peer Steinbrück, der im Juli 2007 ebenjenes Gutachten in Auftrag gegeben hat. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Daran war der Poß beteiligt!)

Das Ergebnis dieses Gutachtens hinsichtlich der Steuer­befreiung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen können Sie jetzt nachlesen. In diesem Gutachten, das von Ihrem Finanzminister in Auftrag gegeben wurde, steht: Durch die Steuerfreiheit wird das Gerechtigkeits­prinzip verletzt. Verteilungspolitisch werden Besserver­dienende mit dieser Steuerbefreiung sogar stärker be­günstigt. – Dort steht auch schwarz auf weiß: Die durch die Steuerbefreiung der Zuschläge induzierte Anreizwir­kung widerspricht dem Ziel des Schutzes der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. – So lautet das eindeutige Ergebnis dieser Studie, die von Ihrem Fi­nanzminister in Auftrag gegeben wurde. Ich will nochmals klarstellen, damit das auch jeder hier kapiert: Die Union und auch die christlich-liberale Koalition insgesamt planen trotz dieses Ergebnisses keine Streichung dieser Steuerfreiheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der FDP)

Ihrem Antrag, der hinsichtlich des Gestaltungswillens in der Steuerpolitik ja eine Bankrotterklärung ist, werden wir trotzdem nicht zustimmen. (Florian Pronold [SPD]: Ach nee! – Weitere Zurufe von der SPD: Ah!) Der Wegfall von Ausnahmeregelungen ist grundsätz­lich nur vertretbar, wenn er mit einer Steuerreform kom­biniert wird, und in diesem besonderen Fall müssen zu­sätzlich Tarifvereinbarungen hinzukommen, durch die die Schlechterstellung zum Beispiel gerade der Kranken­schwestern vermieden wird. (Florian Pronold [SPD]: Das ist das Hintertür­chen, das aufgemacht wird!) Wir wollen ein Einkommensteuerrecht, das Leistung belohnt, statt sie zu bestrafen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ihr Antrag, den wir heute beraten, will aber eine Ausnah­mevorschrift zementieren und damit eine die Arbeitneh­mer begünstigende Rechtsfortbildung grundsätzlich ver­hindern. Wer wirklich arbeitnehmerfreundliche Politik machen und die breite Mitte der Gesellschaft entlasten will, die in diesem Land seit Jahren die Lasten tragen muss, der muss wie wir das Ziel haben, ein leistungsgerechtes, ein­facheres und transparenteres Einkommensteuerrecht zu gestalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das bedeutet nicht zwangsläufig die Abschaffung der Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Es ist auch in keiner Weise Bestandteil unseres Regierungsprogramms. Das bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen.

Ich finde Ihren Antrag nicht nur unnötig, sondern auch regelrecht anmaßend. Nicht nur, dass Sie wie im­mer in typischer SPD-Manier den Menschen in diesem Land vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen haben, (Joachim Poß [SPD]: Reden Sie doch nicht so einen Stuss! – Gegenruf von der FDP: Das stimmt doch!) nein, jetzt versuchen Sie auch noch, zukünftigen Politi­kergenerationen Vorschriften zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was ist denn, meine Damen und Herren von der SPD, wenn in fünf, zehn oder vielleicht fünfzehn Jahren eine andere Politikergeneration der SPD eventuell auf die Idee kommt, dass das Ergebnis der von Ihrem Finanzmi­nister in Auftrag gegebenen Studie vielleicht doch Be­standteil einer großen Steuerstrukturreform werden soll? Was ist, wenn eine SPD-Politikergeneration genauso wie das Gutachten eines Tages feststellt, dass die Abschaf­fung der Steuerfreiheit der Zuschläge eine verbesserte Steuertransparenz und eine gleichmäßigere Einkommen­steuerverteilung mit sich bringen würde? Was ist, wenn eine zukünftige SPD-Politikergeneration wirklich eine arbeitnehmerfreundliche Politik machen will? (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das setzt voraus, dass die dann an der Regierung sind!)

Die meisten von Ihnen werden dann wahrscheinlich nicht mehr in diesem Parlament sein. Aber Ihren Nach­folgern wird man vorwerfen müssen, dass sie umgefal­len sind. Ich weiß, dass Sie das nicht stört. Aber für uns in der Union hat das mit seriöser Politik nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb werden wir Ihrem populistischen und kurzsich­tigen Antrag heute nicht zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Helau! Die beste Büt­tenrede, die hier je gehalten wurde!)