Gutting: "Das gesamte Grunderwerbsteuerrecht muss mittelfristig komplett auf neue Füße gestellt werden"

Rede von Olav Gutting MdB am 21. April 2021 im Plenum des Deutschen Bundestages (Auszug aus dem Plenarprotokoll)



Olav Gutting (CDU/CSU): "Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja 2019, bei den Beratungen zum damaligen Jahressteuergesetz, ganz bewusst das Thema `Neuregelung bei der Grunderwerbsteuer´ abgetrennt, weil wir schon damals gesehen haben, wie komplex dieses Thema ist, und wir haben das richtig eingeschätzt. Dieser Komplexität ist es auch geschuldet, dass wir jetzt doch anderthalb Jahre hier im Deutschen Bundestag darüber beraten haben. Da ist die Zeit, in der die Länder sich schon zuvor den Kopf darüber zerbrochen haben, noch gar nicht mitberücksichtigt. Was wir jetzt haben – das hat der Kollege Daldrup ja richtig gesagt –, ist ein Kompromiss. Es ist ein guter Kompromiss – er hat Stärken, und er hat Schwächen –, aber es ist eben ein Kompromiss.

Bei diesem Kompromiss haben wir uns an dem im Koalitionsvertrag verabredeten Ziel orientiert, Missbrauch bei den sogenannten Share Deals zu verhindern. Die entscheidende Frage ist – und sie war die ganze Zeit in der Diskussion –: Ab wann ist denn der Erwerb von Grund und Boden mittels eines Share Deals ein Missbrauch? Wann ist die Grenze überschritten? Wann ist noch von einer zulässigen Gestaltung auszugehen, und ab wann muss man von einer Grenzüberschreitung bis hin zu einem Missbrauch ausgehen? Das konnte – und das ist die Wahrheit – bei der ganzen Debatte, bei den ganzen Diskussionen bis heute keiner der Sachverständigen und auch sonst niemand beantworten.

Im Gesetzgebungsverfahren haben wir uns dann an dem Entwurf orientiert, den uns die Länder vorgegeben haben; auch das war schon ein Kompromiss. Allen, die immer wieder abweichende Vorschläge gebracht haben, muss ich sagen: Wir operieren hier nicht im luftleeren Raum, sondern wir haben ein zustimmungspflichtiges Gesetz, und wir alle kennen die langen Diskussionen der 16 Bundesländer, die erst zu diesem Kompromiss geführt haben. Deswegen ist das, was wir jetzt vorliegen haben, ein großer Schritt zur Missbrauchsverhinderung, und wichtig ist auch, dass wir hier Kapital- und Personengesellschaften gleichgestellt haben.

Durch unsere Maßnahmen erreichen wir, dass ein Immobilieninvestor, wenn er heute beispielsweise ein großes Kaufhaus erwirbt, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zur Finanzierung des Staatswesens genauso beitragen muss wie der kleine Bürger, wie die Familie, die ein Eigenheim erwirbt. Nun hätten wir uns gewünscht, dass unser Koalitionspartner gerade in diesem Bereich, bei diesem Vergleich der beiden Fälle – nämlich Familie und Großkonzern – auch mitgemacht hätte bei einem Freibetrag für den Ersterwerb der selbstgenutzten Wohnimmobilie. Wir wissen, dass der Traum vom Eigenheim bei jungen Familien oft daran scheitert, dass nicht genug Eigenkapital da ist. Und hierbei spielen die Erwerbsnebenkosten natürlich immer eine große Rolle, und bei den Erwerbsnebenkosten ist die Grunderwerbsteuer der größte Brocken und das größte Hindernis.

Deswegen an dieser Stelle noch mal der Appell an die Bundesländer: Unterstützen Sie den Ersterwerb eines Familienheims mit einem Freibetrag, mit einer Senkung oder mit dem Erlass der Grunderwerbsteuer! Das wäre, glaube ich, ein richtiger Ansatz.

Die befürchteten Steuerausfälle sind sicherlich mit den Mehreinnahmen, die die hier jetzt vorgesehene Regelung bringen wird, zu kompensieren. Die Länder sind am Zug. Sie haben für diese Steuer die Verwaltungskompetenz und die Ertragskompetenz gemäß Grundgesetz. Und die Länder waren es ja auch, die uns in diesem ganzen Verfahren ein Korsett angelegt haben, in dem wir nur mit minimalinvasiven Eingriffen arbeiten konnten, weil bei allen größeren Würfen, bei allen finanz- und vor allem verfassungsrechtlich sauberen Regelungen wie zum Beispiel einer quotalen Erhebung der Grunderwerbsteuer die Länder von vornherein blockiert und den Mehraufwand in der Administration des Gesetzes befürchtet haben. Von Länderseite dann immer wieder anzumahnen, der Bundestag möge doch das Verfahren beschleunigen, gleichzeitig aber den großen Wurf zu verhindern, das ist Handeln nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – So kommen wir natürlich auch nicht voran.

Mein Fazit nach diesen langen und intensiven Beratungen: Ich glaube, das gesamte Grunderwerbsteuerrecht muss mittelfristig komplett auf neue Füße gestellt werden; denn so, wie wir es jetzt haben, ist es einfach nicht mehr reformfähig. Deswegen erwarten wir auch in der nächsten Legislaturperiode zügig Vorschläge der Bundesländer, die hier zuständig sind, wie wir diese wichtige Einnahmequelle für die Bundesländer zukunfts- und missbrauchssicher gestalten können. Für heute ist es ein guter Kompromiss, dem man ohne Weiteres zustimmen kann."

Quelle / Copyright: Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages / Video: Deutscher Bundestag