Rede von Olav Gutting MdB / Gemeinnützigkeit politischer Organisationen



Auszug aus der Rede Olav Gutting (CDU/CSU):
"Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst könnte man ja denken, am letzten Tag der Sitzungen vor der Sommerpause gäbe es vielleicht Wichtigeres, als über die Verbotsfantasien der AfD zu sprechen. Aber ich denke schon, dass das ein unglaublich wichtiges Thema ist. Es ist ein ganz wichtiges Thema, weil es natürlich um die Meinungsfreiheit, aber auch um die Grundfesten unseres Rechtsstaates geht. Es geht nämlich darum, ob sich Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass die Gesetze und Regeln für alle in diesem Land gelten. Bevor ich tiefer einsteige, möchte ich noch einmal kurz auf die Forderungen nach dem bundesweiten Verbot der Antifa der AfD eingehen. Ich glaube, es ist allen klar: Es ist ein populistischer Antrag. Er bringt uns leider auch kein Stück weiter. Nein, es bringt uns nicht weiter. Mit dieser Fokussierung auf Antifa und auf Linksextremismus versperren Sie die Sicht, und Sie schaden auch der Sache. Sie wissen ganz genau, dass die Bundesregierung und die Verfassungsschutzorgane alle gefährlichen Extremismusbereiche beobachten.

Da fragt man sich dann schon: Was wollen Sie mit diesem Antrag bezwecken? Wollen Sie zwischen schlechtem und zwischen weniger schlechtem Extremismus unterscheiden? Wollen Sie suggerieren, dass der Nährboden für Terrorismus ausschließlich bei Linksextremismus entsteht? Die Fragen haben wir Ihnen schon vor einem Jahr gestellt, als wir diesen Antrag schon mal beraten haben. Auch damals haben Sie diese Fragen nicht beantworten können. Sie wollen extremistische Strömungen bekämpfen, tolerieren aber in Ihren eigenen Reihen den Rechtsextremismus. Was für eine Heuchelei!

Zu Ihrem zweiten Antrag. Sie wollen bei politischer Agitation die Gemeinnützigkeit entziehen. Dazu muss man sagen: In einem Rechtsstaat, wie wir ihn haben – Gott sei Dank –, kann man politisch unliebsame Organisationen und Vereine genauso wenig wie Parteien und Vereinigungen einfach auf die Seite wischen. Man kann sie nicht entfernen, man kann sie nicht einfach durch gesetzliche Maßnahmen mundtot machen. Solange sich Vereine an das Gemeinnützigkeitsrecht halten und sich innerhalb der satzungsmäßigen Zwecke bewegen, darf ihnen die Gemeinnützigkeit auch nicht entzogen werden. Ich will Sie hier nicht mit Paragrafen langweilen. Entscheidend für die Einstufung als gemeinnützige Organisation ist, ob deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“

Wir müssen uns noch mal klarmachen: Diese Entscheidung trifft das jeweilige Finanzamt vor Ort und nicht der Deutsche Bundestag, wie hier manche immer wieder suggerieren. Was wir allerdings in letzter Zeit auch erlebt haben, sind im Bereich mancher Organisationen wirklich Exzesse. Man hat das Gefühl, dass in unserer reizüberfluteten, ja teilweise überdrehten Gesellschaft jedes Wort, jeder Satz, jede Tat ein Superlativ sein muss. Wir erleben, dass einige, um Aufmerksamkeit zu erheischen und sich von anderen Organisationen abzuheben, schlicht zu weit gehen. Wenn es Organisationen – und ich kann hier Greenpeace nennen – gibt, die glauben, dass sie nur noch dann öffentlich wahrnehmbar sind, wenn sie sich zu einem von den Medien begleiteten Rechtsbruch aufmachen, dann, glaube ich, müssen wir ein Stoppschild setzen und mit rechtsstaatlichen Mitteln sagen: Das kann nicht sein, es darf nicht zu Rechtsbruch kommen. Organisationen, die mit Kriminellen zusammenarbeiten, die sie in ihren eigenen Reihen haben, die Straftaten planen, müssen selbstverständlich ihre Gemeinnützigkeit verlieren.

„Gemeinnützig“ bedeutet nicht „gemeingefährlich“ – da sind wir uns doch einig. Aber auch die politische Betätigung hat ihre Grenzen. Und da bleibt tatsächlich – Sie haben das Thema aufgebracht – die Frage an den Finanzminister: Wie geht das BMF mit dem veröffentlichten Attac-Urteil um, das ja die Entziehung der Gemeinnützigkeit im Falle von Attac bestätigt hat? Und wird dieses Urteil nun in vergleichbaren Fällen tatsächlich angewendet, oder gibt es – und diese Frage steht im Raum – tatsächlich eine Agenda, um dafür zu sorgen, dass vergleichbare Organisationen eben keine Konsequenzen seitens der Finanzämter zu fürchten haben? Das sollte jedenfalls nicht sein; denn nicht der Finanzminister und das BMF bestimmen darüber, welche Organisation gemeinnützig ist und welche nicht. Wir brauchen eine konsequente Anwendung der Regeln, und nur dann kann ein Rechtsstaat bestehen.

Diejenigen, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen, diejenigen, die sich engagieren und an die Regeln halten, wollen wir unterstützen; der Kollege Christian von Stetten hat ja schon die Erfolge dieser Legislaturperiode in diesem Bereich hervorgehoben. Wir stärken das Ehrenamt und haben gerade mit dem letzten Jahressteuergesetz hier noch mal ein deutliches Zeichen gesetzt. Die drei heute vorliegenden Anträge von der AfD tragen dazu nichts bei, und deswegen lehnen wir diese ab."