Rede im Plenum: Steuernachzahlung bei Kurzarbeitergeld

Video der Rede von Olav Gutting MdB am 7. April 2022 im Deutschen Bundestag



Redeauszug Olav Gutting (CDU/CSU): "Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die letzten zwei Jahre waren für viele Menschen in diesem Land eine herausfordernde Zeit. Wir haben in der Regierung und im Parlament viel dafür getan, um die Belastungen für die Menschen möglichst niedrig zu halten, um die Belastungen abzumildern. Eine Maßnahme davon war, dass wir das Kurzarbeitergeld so genutzt haben, dass Beschäftigte bei ihren Unternehmen beschäftigt bleiben konnten. Diese Maßnahme wurde von uns immer wieder verbessert, sie wurde verlängert.

Wir haben zudem ermöglicht, dass Arbeitgeber auch steuerfreie Zuschüsse auf das Kurzarbeitergeld zahlen konnten. Die aktuelle Ampelkoalition hat diese sinnvollen Maßnahmen fortgeführt. Es bleibt dabei, dass die Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld bis zum 30. Juni dieses Jahres herabgesetzt bleiben. Und die maximale Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wird befristet von 24 Monaten auf 28 Monate verlängert.

Das Kurzarbeitergeld – wir haben es vorhin schon gehört – beträgt in der Regel 60 bzw. 67 Prozent der Nettoentgeltdifferenz. Das ist in vielen Lohngruppen tatsächlich ein sehr niedriger Auszahlungsbetrag. Er erhöht sich zwar ab dem vierten Monat auf 70 bzw. 77 und ab dem siebten Monat auf 80 bzw. 87 Prozent der Nettoentgeltdifferenz; aber das ist natürlich nicht vergleichbar mit dem normalen Bruttolohn. Zusätzlich kann der Arbeitgeber diesen Betrag noch mit einer steuerfreien Zahlung erhöhen. Das wird auch oft von den Arbeitgebern gemacht. Man muss diese Zahlen, denke ich, nennen; denn es geht ja hier am Ende um den Vergleich zwischen den Nettobeträgen von normalem Arbeitnehmer und Kurzarbeiter. Es geht also darum: Was hat man am Ende in der Tasche?

Hier ist der Antrag der Linken, bei dem es faktisch um die Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld geht, einfach falsch gedacht. Die Linke will mit ihrem Antrag einen anerkannten steuerlichen Grundsatz aushebeln, nämlich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Nur der Progressionsvorbehalt stellt die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sicher. Wer mehr verdient, wer leistungsfähiger ist, der muss natürlich höhere Steuern bezahlen als der, der weniger hat. Das ist richtig, und das ist korrekt.

Mit Ihrer Forderung nach der Verhinderung von möglichen Steuernachzahlungen – das ist ja nicht überall der Fall – setzen Sie von den Linken nun dieses Prinzip außer Kraft. Tatsache ist: Die Lohnersatzleistungen und damit auch das Kurzarbeitergeld sind steuerfrei. Sie sind das, und sie bleiben es auch. Diese Lohnersatzleistung wird ja lediglich zur Berechnung des individuellen Steuersatzes miteinbezogen. Wer Kurzarbeitergeld erhält, der zahlt für diesen Zeitraum in jedem Fall weniger Steuern als beim Bezug des normalen Bruttoarbeitslohns, völlig egal, ob als Köchin oder in anderen Berufen. Es ist so: Wer Kurzarbeitergeld bezieht, zahlt für diesen Zeitraum weniger Steuern.

Würden jedoch Lohnersatzleistungen bei der Berechnung des individuellen Steuersatzes bezogen auf das gesamte Jahreseinkommen – und darum geht es ja – nicht berücksichtigt, dann wäre das gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen schlicht ungerecht. Es würde nicht nur den vollständigen Steuerausfall für diese Ersatzleistungen bedeuten, sondern auch die Anwendung eines niedrigen, eben dann nicht mehr angemessenen Steuersatzes für die übrigen Einkünfte. Und das kann man tatsächlich nicht befürworten. Wenn Sie von den Linken die mögliche Steuerbelastung für Kurzarbeiter nur isoliert betrachten, dann verabschieden Sie sich von diesem Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung.

Wenn es Ihnen in diesem Antrag um eine generelle, grundsätzliche Steuersenkung ginge, dann wären wir offen für Gespräche, dann könnten wir gerne gemeinsam nach Lösungen suchen. Aber Sie wollen hier ja nur die steuerliche Behandlung des Kurzarbeitergeldes aussetzen und nicht den Progressionsvorbehalt auch bei den anderen Lohnersatzleistungen wie zum Beispiel Insolvenzgeld oder Arbeitslosengeld abschaffen.

Da zeigt sich eben dieser kurzfristige Effekt, und da zeigt sich eben auch der Unterschied zwischen Oppositionsparteien. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie noch mal erwähnt haben, dass die FDP, als sie noch in der Opposition war, so einen ähnlichen Antrag gestellt hat. Aber das ist halt der Unterschied: Wir sind auch in der Opposition vernünftig, wir sind auch in der Opposition verantwortungsbewusst, und wir wechseln hier nicht das Hemd von Populismus zu Regierung. Das ist der Unterschied: Wir sind auch in der Opposition eine verantwortungsbewusste Fraktion.

Zusätzliche Belastungen für die Menschen, die schon unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gelitten haben, sollen verhindert werden. D’accord, selbstverständlich – da gibt es überhaupt kein Vertun –, das wollen wir auch. Aber wir in der Union stehen eben auch für den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, konkretisiert durch das Leistungsfähigkeitsprinzip, und das werden wir hier nicht ausblenden. Aktive Arbeitnehmer dürfen im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als Empfänger von Ersatzleistungen; aber genau das würde mit Ihrem Vorschlag in vielen Fällen geschehen.

Fazit. Wir halten fest: Unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Besteuerung ist im Einkommensteuerrecht der Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitergeld folgerichtig, und er ist deswegen beizubehalten. Ergo lehnen wir Ihren Antrag hier heute ab."