Apothekenstreik am heutigen 14. Juni

Interview der Schwetzinger Zeitung mit Olav Gutting MdB

Herr Gutting, die Apotheken machen für ihre Misere die Politik mitverantwortlich, etwa in Bezug auf überbordende Bürokratie und Medikamentenmangel. Sehen Sie das als Bundespolitiker denn genauso und welche Ideen hätten Sie für eine Verbesserung?

Olav Gutting: Eine bessere finanzielle Anerkennung für die Arbeit in der Apotheke ist notwendig und überfällig. Apotheker und Apothekerinnen brauchen viel Fachwissen, teure IT und gut ausgebildetes Personal, um die Menschen zu beraten und adäquat zu versorgen. Das Honorar der Apotheken besteht zu einem wesentlichen Anteil aus einem Festbetrag, der seit vielen Jahren nicht mehr angepasst worden ist. Ohne eine Erhöhung können Apotheken die laufenden Kosten kaum noch abdecken. Anders als bestimmte Arztpraxen und Krankenhäuser haben Apotheken für Sonderleistungen keine Extrazahlungen erhalten; dies muss geändert werden. Darüber hinaus benötigen insbesondere auch kleinere ApKetzerisch gefragt: Braucht man noch Apotheken vor Ort, wenn es doch das Internet gibt und womöglich bald Drohnen innerhalb kürzester Zeit überallhin liefern können? Gutting: Natürlich braucht es weiterhin Apotheken vor Ort, so wie es auch Ärztinnen und Ärzte im Nahbereich geben muss, denn in einer virtuellen Sprechstunde können auch nicht alle Untersuchungen und Therapien erfolgen. Wichtig wäre, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Apotheken als Leistungserbringer in der Regelversorgung bundesweit und für Versicherte aller Krankenkassen ein gemeinsames Medikationsmanagement anbieten können.otheken größere Entscheidungsfreiheiten, damit gefährliche Therapieverzögerungen nicht auftreten und eine schnelle Versorgung der Patientinnen und Patienten gewährleistet bleibt.

Gerade mit Blick auf das Fiebersaftproblem: Warum gehört Deutschland zu den Ländern, die nicht gut bezahlen für Arznei? Sparen wir da nicht an der falschen Stelle?

Gutting: Es ist zu Zeiten gespart worden, in denen diese Medikamente im Überfluss vorhanden und auch Produktionen in Europa stattgefunden haben. Es war mit dem Abflauen der Corona-Pandemie zu erkennen, dass der Bedarf zum Beispiel an Kinderfiebersäften steigen würde, jedoch verkaufen die verbliebenen Produzenten an meistbietende Einkäufer. Deshalb müssen die Präparate übergangsweise teurer eingekauft und den Apotheken für den zusätzlichen Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen ein angemessener Ausgleich („Engpass-Ausgleich“) bezahlt werden. Auch muss die Produktion von Medikamenten in Europa wieder angekurbelt werden. Leider hat man das Gefühl, der Gesundheitsminister beschäftigt sich mehr mit der von der Ampel geplanten Freigabe von Cannabis als mit den Sorgen der Eltern, die für ihre Kinder wegen einer Flasche Fiebersaft von Pontius nach Pilatus laufen müssen.

Ketzerisch gefragt: Braucht man noch Apotheken vor Ort, wenn es doch das Internet gibt und womöglich bald Drohnen innerhalb kürzester Zeit überallhin liefern können?

Gutting: Natürlich braucht es weiterhin Apotheken vor Ort, so wie es auch Ärztinnen und Ärzte im Nahbereich geben muss, denn in einer virtuellen Sprechstunde können auch nicht alle Untersuchungen und Therapien erfolgen. Wichtig wäre, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Apotheken als Leistungserbringer in der Regelversorgung bundesweit und für Versicherte aller Krankenkassen ein gemeinsames Medikationsmanagement anbieten können.

Abschließend, Herr Gutting, wie schaut Berlin auf die Aktion der Apotheken an diesem Mittwoch und gibt es dazu lösungsorientierte Gespräche auf Bundesebene?

Gutting: Die Gründe, aus denen sich die Apotheken genötigt sehen, den Protest auszurufen, sind vielschichtig. Generell geht es Apothekerinnen und Apotheker beim Streik am Mittwoch darum, ihre Forderungen nach mehr Geld und mehr Flexibilität zu untermauern. Aus Sicht der Betroffenen aber auch aus meiner Sicht haben Lieferengpässe, Personalnot, ausufernde Bürokratie und eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung 2022 zum größten Apothekensterben in Deutschland seit Bestehen der Bundesrepublik geführt. Diese Sicht teilen nicht alle Politikerinnen und Politiker in Berlin; vielfach ist noch immer eine Neiddebatte zu verspüren, ob der hohen Einkünfte der Apothekerinnen und Apotheker. Wir setzen uns dafür ein, dass dem Apothekensterben ein Ende gesetzt wird und die Nahversorgung mit Medikamenten auch im ländlichen Raum erhalten bleibt. Dafür müssen Herr Lauterbach und die Ampel endlich liefern.

(Interview veröffentlicht in der Schwetzinger Zeitung vom 14. Juni 2023 / Apothekenstreik – das sagen die Politiker rund um Schwetzingen und Hockenheim)