Abschaffung des Solidaritätszuschlags

Rede von Olav Gutting MdB am Mittwoch, 5. Juni 2024 im Plenum des Deutschen Bundestages / Beratung der Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der AfD

"Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Antragsteller zitieren in ihrer heutigen Vorlage den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, mit dem Satz, beim Festhalten am Solidaritätszuschlag bestehe die „Gefahr eines Verlustes von Vertrauen in den Rechts- und Verfassungsstaat“. Ich glaube, diese Aussage ist im Zusammenhang mit dem Soli doch ein bisschen überzogen. Denn wenn etwas das Vertrauen in den Rechts- und Verfassungsstaat gefährdet, sind es statt des Solis doch wohl eher die Umtriebe im Zusammenhang mit Ihren beiden Spitzenkandidaten in der Europawahl, aber bestimmt nicht der Soli. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Kay Gottschalk [AfD]: Wie wäre es, wenn Sie zum Antrag sprechen, Herr Kollege?)

Ob die Politik beim Soli die Verfassung ignoriert, wird ja nun hoffentlich bald das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Allerdings: Die bessere Lösung wäre natürlich – hier sind die Ampelparteien angesprochen –, es würde gehandelt und der Rest-Soli würde abgeschafft, bevor Sie vom Bundesverfassungsgericht dazu gezwungen werden. Der Gesetzgeber – das heißt, wir alle hier in diesem Haus – muss eigentlich seit Jahren davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die sogenannte Ergänzungsabgabe Solidaritätszuschlag nicht mehr erfüllt sind. Dazu braucht man, glaube ich, auch kein Sachverständiger zu sein oder Professor; da genügt der normale Menschenverstand. Denn die jetzt geltenden Regelungen haben nichts mehr mit dem ursprünglichen Zustand gemein. Aus dem Soli ist der Rest-Soli geworden, ist eine verkappte Unternehmensteuer und ein besonderer Zuschlag für bestimmte Bereiche der Einkommensteuer geworden. Das kann nicht sein! (Dr. Götz Frömming [AfD]: Richtig!)

Abseits aller verfassungsrechtlichen Fragen glaube ich persönlich, ist es auch ein Gebot der Steuergerechtigkeit, der Steuerwahrhaftigkeit, auch den Rest-Solidaritätszuschlag vollständig für alle abzuschaffen. (Dr. Götz Frömming [AfD]: Sagen wir doch!) Der Verzicht auf die Erhebung der Steuer bei 90 Prozent der ursprünglich Steuerpflichtigen widerspricht aus meiner Sicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das hat im Übrigen auch Professor Kirchhof in einem Gutachten, das vom Steuerberaterverband und Bund der Steuerzahler in Auftrag gegeben wurde, festgestellt. Was ist also zu tun? Nun, Bundesfinanzminister Lindner hat es ja Anfang des Jahres schon auf den Punkt gebracht: Die am schnellsten wirksame Unternehmensteuerreform ist das Auslaufenlassen des Solidaritätszuschlages. (Markus Herbrand [FDP]: Genau!)

Ja, das wäre – ich sage: das wäre! – vor einigen Monaten vielleicht tatsächlich noch ein richtiger Schritt gewesen. Und ich sage auch hier bewusst „gewesen“; denn jetzt, im dritten Jahr der Ampel, nachdem der wirtschaftliche Karren so richtig im Dreck steckt, das Wachstum von dieser Regierung erstickt wurde, (Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blödsinn! Das ist absoluter Blödsinn!) in dem sich die öffentlichen Finanzen inzwischen Richtung Süden bewegen, ist weit mehr notwendig als allein die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. (Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen mehr als die Abschaffung des Rest-Solis. Es muss eine deutliche Entlastung für Unternehmen, für Mittelstand, für Handwerk, für Bürgerinnen und Bürger in diesem Land geben. Jetzt wurde ja vor einigen Monaten eine hochkarätige Kommission zur Reform der Unternehmensteuer und der Einkommensteuer eingesetzt, vollmundig angekündigt vom Bundesfinanzminister. Die Zeit rennt. Viele Monate sind bereits vergangen; aber weder die Fachwelt noch wir in der Opposition im Deutschen Bundestag sind über Fortschritte bei den Beratungen, geschweige denn über mögliche Ergebnisse informiert worden. (Markus Herbrand [FDP]: Das wundert euch?) Ich glaube, die Bundesregierung kann nicht länger warten. Sie muss jetzt handeln.

Es muss jetzt die Belastung für Unternehmen, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler reduziert werden. Wir brauchen jetzt nachhaltige Wachstumsimpulse. Das alles könnten Sie ohne Weiteres mit ins Jahressteuergesetz 2024 hineinpacken; alles könnte dort geregelt werden. Aber es fehlt Ihnen auch hier der Mut. Festzuhalten bleibt: Der Rest-Soli muss verschwinden. Aber es ist wichtig, dass diese vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages in ein Gesamtkonzept eingebettet wird. Deutschland, meine Damen und Herren, braucht im dritten Jahr der Ampel dringend einen steuerpolitischen Neustart. (Beifall bei der CDU/CSU)" (Auszug aus dem Plenarprotokoll)