Hinzuverdienstgrenzen bei den Witwenrenten
Rede von Olav Gutting MdB am Freitag, 28. Juni 2024 im Plenum des Deutschen Bundestages / Der Bundestag hat mit breiter Mehrheit einen Antrag der AfD mit dem Titel „Hinzuverdienstgrenzen bei den Witwenrenten neu regeln – Fachkräfte freisetzen“ (20/6582) abgelehnt. Hier finden Sie den Text und das Video der Rede.
Olav Gutting (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeskanzler war ja Anfang der Woche beim Tag der Industrie und hat dort für neue Zuversicht geworben. Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich zitieren: „Wenn die Jahre des Aussitzens vorbei sind, haben wir eine gute Zukunft vor uns.“ Das war der Bundeskanzler. Für die deutsche Wirtschaft, für die ja vor allem der Fachkräftemangel eines der größten Wachstumshemmnisse in diesem Land ist, verteilt der Kanzler Worthülsen.
Wir hören von der Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland, die man entbürokratisieren will. Wir hören: Freiwilliges Weiterarbeiten soll endlich attraktiver werden. Es sollen steuerliche Arbeitsanreize für Erwerbstätige geschaffen werden. Nur: Es passiert nichts. Und wenn etwas passiert bei der Ampel, dann ist es nur etwas Kosmetik. Auch im dritten Jahr dieser Ampelregierung ist weiter Aussitzen angesagt.
Man will Ihnen für dieses Land wirklich zurufen: Macht doch mal endlich! Wann beginnt diese Ampel endlich, ihre Projekte umzusetzen? Wir müssen das bestehende Know-how der Generation Silberrücken in der Wirtschaft bewahren. Steuer darf kein Hemmschuh für eine Erwerbstätigkeit im Alter werden. Wenigstens haben ja einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen hier auf der linken Seite, inzwischen verstanden, dass diese Programme zur Frühverrentung mittlerweile dazu geführt haben, dass Millionen von Menschen, die diese in Anspruch genommen haben, die noch in der Lage wären, zu arbeiten, und die grundsätzlich auch noch arbeiten wollen, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Und diese Fachkräfte fehlen heute der Wirtschaft.
Die Sinnhaftigkeit und die Attraktivität von Arbeit in jeder Lebensphase müssen deutlich gesteigert werden, und zwar sofort und nicht erst, wenn die Jahre des Aussitzens vorüber sind, nicht erst, wenn die Endlosdebatten in der Ampel geführt sind, sondern wir brauchen das jetzt. Wir haben das in unserem Grundsatzprogramm so beschrieben: Leistung muss sich wieder lohnen! – Wir brauchen eine Agenda für die Fleißigen. Wer mehr leistet, muss sich auch mehr leisten können.
Wir werden kleine und mittlere Einkommen entlasten und arbeitende Rentner steuerlich deutlich besserstellen. Niedrigere Steuern und Beiträge sorgen für höhere Löhne, mehr Jobs und stärkeres Wachstum. Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten. Aber diese Ampel, wo man hinblickt: Auch nur Hindernisse. Es ist zum Beispiel völlig unverständlich, dass Arbeitgeber bei beschäftigten Rentnern weiter ihren Anteil an Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen, obwohl ja der Rentner nie arbeitslos werden kann, sondern dann einfach wieder zurück in die Rente fallen würde. Für erwerbstätige Senioren würden sich Beschäftigungsfreibeträge anbieten; da hilft auch mal ein Blick über den Tellerrand. So hat zum Beispiel Dänemark Anfang dieses Monats eine Seniorenprämie eingeführt. Nach Erreichen des Renteneintrittsalters erhalten Arbeitnehmer dort eine jährlich abschmelzende Prämie, einen Freibetrag für das Weiterarbeiten. Ich glaube, das wäre ein guter Anreiz. Er wäre vor allem auch fiskalisch tragbar und vernünftig, anders als der heute hier vorliegende Antrag.
Noch ein kurzes Wort zu dem zweiten Antrag, der hier debattiert wird, zum Thema „Hinzuverdienstgrenzen bei den Witwenrenten“: Ja, da sind richtige Ansätze drin, und das muss man sich anschauen. Aber im Durchschnitt wird die Witwenrente von Witwen und Witwern ab einem Alter von etwa 74 Jahren bezogen. Aufgrund dieses Alters – das muss man einfach sagen – können Sie das Fachkräftepotenzial, das wir brauchen, nicht heben.
Festzuhalten bleibt, meine Damen und Herren: Zu viele in Deutschland arbeiten nicht oder arbeiten zu wenig. Gerade in den letzten Monaten, in denen man die Wirkung des Bürgergeldes, das diese Ampel quasi als bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt hat, gesehen hat, muss doch jedem klar geworden sein, dass da was nicht stimmt.
Sie sprachen vorhin von 1,7 Millionen Menschen: Das sind 1,7 Millionen Menschen, die arbeiten könnten, aber nicht arbeiten, bei einer offenen Stellenzahl von über 1 Million. Es muss doch jedem einleuchten, dass da etwas nicht stimmt. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Thema heute hier im Plenum diskutieren, auch wenn ich die Anträge hier ablehnen muss. Deutschland benötigt nicht nur ein dringendes Update beim Steuerrecht, sondern viel mehr: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, eine komplett neue Einstellung zur Arbeit: dass es sich wieder lohnen muss, zu arbeiten, und zwar in jeder Lebensphase. Vielen Dank.