Interview mit Olav Gutting MdB: Das Antidiskriminierungsgesetz: Segen oder Fluch ?

Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein Menschenrecht und im deutschen Grundgesetz verankert. Brauchen wir weitere gesetzliche Bestimmungen für mehr Gerechtigkeit?

 Select hat nachgefragt bei Herrn Olav Gutting, Rechtsanwalt und Mitglied des Deutschen Bundestages, das Interview kann hier nachgelesen werden.

Select: Der Gesetzentwurf zur Umsetzung europäischer Richtlinien der derzeitigen Bundesregierung sorgt für viel Wirbel. Herr Gutting, wie sieht der gegenwärtige Gesetzentwurf von Rot-Grün aus ?

Olav Gutting: Der jetzige Gesetzentwurf geht weit über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. Die EU verlangt nur ein zivilrechtliches Diskriminierungs-verbot aufgrund Rasse, ethnischer Herkunft und des Geschlechts. Die rot-grüne Koalition weitet dieses Verbot auf Religion, Weltanschauung, Behinder-ung, Alter und sexuelle Identität aus.

S: Wo sehen Sie die Chancen und Risiken eines Antidiskriminierungsgesetzes ?

G: In einer aufgeklärten Gesellschaft darf Diskriminierung keinen Platz haben. Das bedeutet, dass sich eine Gesellschaft Regeln geben muss, die Diskriminierung nicht dulden. Was allerdings Rot-Grün vorgelegt hat, ist zu kompliziert, bürokratisch und schießt weit über das Ziel hinaus. Auf Vermieter, Arbeitgeber und Versicherer kommen aufgrund von umfangreichen Dokumentationspflichten mehr Bürokratie und Kosten zu, die die Wirtschaft belasten und damit Arbeitsplätze vernichten. Das Antidiskriminierungsgesetz behindert Einstellungsprozesse für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und berührt im erheblichem Maße den Betriebsfrieden. Für Personalleiter in den Unternehmen wird es immer schwieriger werden, bei der Einstellung von Personal darauf zu achten, dass sie in den Betrieb passen und nicht zu Spannungen im Unternehmen führen.

S: Wie könnte ein der Wirtschaft weniger entgegenstehendes Antidiskriminierungsgesetz aussehen ?

G: Bei offiziell fast fünf Millionen Arbeitslosen ist der vorliegende Entwurf ein falsches Signal. Statt die Deregulierung des Arbeitsmarktes voranzutreiben, überschüttet man die Arbeitswelt mit neuen Regelungen. Bereits vor der Verabschiedung der EU-Richtlinien hätte die Bundesregierung erkennen müssen, dass die angestrebten Regelungen im Bereich Arbeitsrecht nur schwer mit den deutschen Recht zu vereinbaren sind. Eine Umsetzung 1:1 der EU-Richtlinie ist das Maximale, was wir Deutschland zumuten können. Besser wäre noch eine Entschärfung.

S: Wie sind Ihre Einschätzungen für das künftige Gesetz ?

G: Das Antidiskriminierungsgesetz ist zur Zeit im Bundesrat gestoppt und wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Kraft treten. Ein Umdenken in der Gesellschaft zu einem diskriminierungsfreien Miteinander lässt sich nicht allein durch Rechtsvorschriften erzwingen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist standort- und mittelstandsfeindlich und wäre der Einstieg in das Verlassen unserer freiheitlichen und rechtsstaatlich geprägten Rechtordnung. Eine grundlegende Überarbeitung ist unumgänglich.

S: Herr Gutting, vielen Dank für das Gespräch.