Olav Gutting MdB: Rede zum Steueränderungsgesetz im Deutschen Bundestag / Wir müssen die Haushaltssanierung konsequent fortsetzen

In der heutigen Debatte über das Steueränderungsgesetz 2007 führte Olav Gutting u.a. folgendes aus:

Ich stehe hier im letzten halben Jahr zum wiederholten Male um über einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu sprechen. Zwischenzeitlich summieren sich diese kleinen Schritte zu einer ganz erheblichen Strecke.

Mit dem Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2007 kommen wir dem Ziel einer staatlichen Ausgabenbegrenzung und eines ausgeglichenen Haushaltes wieder ein Stück näher.

Wie immer, wenn ein solcher Katalog erstellt wird, kommt es vor allem zu Streitigkeiten über Einzelmaßnahmen.

Und in der Tat: über die Maßnahmen im Einzelnen kann gestritten werden. Das ändert aber nichts daran, dass der eingeschlagene Weg richtig ist.

Seit Jahren treibt die expansiv betriebene Ausgabenpolitik die Neuverschuldung nach oben.

Obwohl Finanzexperten immer wieder vor der Gefahr der Schuldenfalle und ihren Folgen gewarnt haben, hat keine der vorherigen Bundesregierungen diese Warnungen ernst genommen und entsprechend reagiert.

Ich will hier auch nicht die früheren Unionsregierungen ausnehmen. Auch wir haben unseren Beitrag zur immensen Staatsverschuldung geleistet.

Umso mehr sehe ich mich heute als Mitglied der Unionsfraktion und Vertreter der Jungen Gruppe in der Verantwortung, den weiteren Marsch in die Verschuldung zu stoppen.

Die große Koalition ist seit langem die erste Bundesregierung, die nicht bereit ist, den Weg in den Schuldenstaat fortzusetzen.

Die Erkenntnis, dass sich die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und der gesetzlichen Sozialversicherungen in einer äußerst ernsten Lage befinden bzw. ein Sanierungsfall sind, ist weder neu noch originell, aber leider wahr.

Die Information der Öffentlichkeit über die unabdingbare Notwendigkeit öffentlicher Sparmaßnahmen ist meines Erachtens bislang zu kurz gekommen.

Die Politik hat es bisher versäumt, in aller Deutlichkeit über die Notwendigkeit zur Konsolidierung der Haushalte aufzuklären.

Dazu gehört auch, dass man sich die astronomischen Schuldenstände des Staates vor Augen führt: So hat der Bund der Steuerzahler errechnet, dass der Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden aktuell rund 1.500.000.000.000 beträgt, d.h. es entfallen 18.200 Euro öffentlicher Schulden auf jeden Bundesbürger.

Besonders plastisch wird die drohende Schuldenfalle, wenn man bedenkt, dass dieser gigantische Schuldenberg pro Sekunde um 2.113 Euro wächst. Allein schon während meiner Redezeit wird sich die Staatsverschuldung um über einen Million Euro erhöht haben.

Der Bund muss bereits jeden fünften Euro, den er durch Steuern einnimmt, nur für Schuldzinsen ausgeben.

Würden ab sofort keine Schulden mehr aufgenommen und würde die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet, jeden Monat eine Milliarde Euro an Schulden zu tilgen, so würde dieser Prozess mehr als 110 Jahre lang andauern, um den Schuldenberg vollständig abzutragen.

Die laufenden Ausgaben liegen zum Teil dramatisch über den regelmäßig fließenden Einnahmen: Allein der Haushalt des Bundes weist eine strukturelle Lücke in einer Größenordnung von rd. 60 Mrd. Euro auf.

Doch damit nicht genug!

Der demografische Wandel, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird den Druck auf die öffentlichen Haushalte unweigerlich noch weiter erhöhen.

In der Vergangenheit hat noch jeder Finanzminister das jeweils schwere Erbe seines Vorgängers immer mit dem Vorsatz angetreten: Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zurückzufahren.

Nach anfänglichen ermutigenden Erfolgen wie zum Beispiel in den ersten Jahren der unionsliberalen Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl folgte allerdings am Ende immer wieder die gleichartige, bedrohliche Bilanz: Der Schuldenstand des Bundes erhöhte jedes Mal dramatisch. Von einer Rekordverschuldung ging es zur nächsten.

Steigende Staatsverschuldung heißt zunächst: Ein immer größerer Anteil des Etats muss für Zinsen aufgebracht werden, wodurch die politische Handlungsfähigkeit des Staates aufgezehrt wird.

Deshalb muss in der derzeitigen prekären Haushaltssituation auch das Junktim unserer Fraktion ausgesetzt werden, dass mit der Streichung von steuerlichen Vergünstigungen und Subventionsabbau immer auch eine Senkung der Steuersätze einhergehen muss.

Es wäre tatsächlich wünschenswert, wenn wir die Mehreinnahmen, die durch die Beseitigung der einzelnen Vergünstigungen hereinkommen, in Form von allgemeinen Steuersatzsenkungen an die Menschen in Deutschland zurückfliessen lassen könnten.

Aber diese möglichen Rückflüsse sind bereits durch das jahrzehntelange Leben über unsere Verhältnisse verbraucht.

Mehreinnahmen müssen daher zur Eindämmung und - wenn möglich - zur Verringerung der bestehenden Staatsverschuldung eingesetzt werden. Wir wollen auch nachfolgenden Generationen einen finanziell handlungsfähigen Staat hinterlassen.

Die große Koalition hat sich in Ihrer Koalitionsvereinbarung zu Recht darauf verständigt, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur zentralen Aufgabe für die nächsten Jahre zu machen. Dem haben sich alle anderen politischen Wünsche unterzuordnen.

Einen Mosaikstein unter den geeigneten gesetzlichen Maßnahmen stellt dabei das Steueränderungsgesetzes 2007.

Im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen, wie z.B. dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltung, wird und kann dies nur der Anfang sein.

Die Änderungsanträge der Opposition werden den finanzpolitischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, bei weitem nicht gerecht. Unsere haushaltspolitischen Probleme lassen sich nicht einseitig nur durch Ausgabenkürzungen - wie die FDP - vorschlägt lösen.

Wir dürfen die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung nicht aufs Spiel setzen, sondern müssen sehr sorgfältig darauf achten, dass das Bündel der von uns getroffenen Maßnahmen nicht über?s Ziel hinausschießt und damit letzten Endes den konjunkturellen Aufschwung behindert.

Dieses Bemühen kommt auch in den getroffenen Einzelmaßnahmen dieses Gesetzentwurfes zum Vorschein.

Nehmen wir als Beispiel die Kürzungen bei der Pendlerpauschale. Seit Jahren fordern namhafte Wirtschaftsexperten, die Streichung der steuerlichen Absetzbarkeit der Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstätte und zurück.

Die Umstellung auf das Werktorprinzip bei der Pendlerpauschale ist richtig. Der Weg zur Arbeit ist Privatsache und muss nicht von der Allgemeinheit mitfinanziert werden. Die Wahl des Wohnsitzes zählt schlichtweg zu den rein privaten Entscheidungen jedes einzelnen.

Ich habe an dieser Stelle bereits gesagt, dass nach meiner Meinung konsequenterweise auch die Ausnahme für Fernpendler ab dem 21. km gestrichen werden sollte.

Die große Koalition hat sich aber entschlossen, die bei den Fernpendlern entstehenden Härten abzufedern und beweist damit Augenmaß, was die Ausarbeitung der Einzelmaßnahmen betrifft.

Ähnliches gilt für die Absenkung der Altersgrenze für den Kindergeldbezug. Wir haben uns entschieden, die jungen Erwachsenen, die sich 2006/07 in der Ausbildung befinden, von dem Gesetzesvollzug auszunehmen und es bei der alten Regelung zu belassen.

Schon aus diesen beiden Beispielen lässt sich ersehen, dass die Koalition es sich - was die Größenordung der Belastung und damit die Frage der Zumutbarkeit der getroffenen Maßnahmen angeht - nicht leicht gemacht hat.

Wir wissen, dass unsere Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik unseren Bürgerinnen und Bürgern einiges an Zumutungen abverlangt.

Aber wir müssen die Haushaltssanierung konsequent fortsetzen. Das sind wir der zukünftigen Generation, für deren Schicksal wir selbstverständlich auch Verantwortung mit zu tragen haben, schuldig.

Nur wenn wir eine Gesundung der Staatsfinanzen erreichen, haben wir auch die Chance auf eine dauerhafte Konjunkturbelebung.

Damit verbunden ist der Abbau der Arbeitslosigkeit und das Ziel einer nachhaltigen, staatlichen Investitionspolitik in die Bereiche von Bildung und Forschung, um die Zukunftsfähigkeit unseres Staates und damit unserer Gesellschaft sicherzustellen.
Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu.