„Bedeutendste Reform des deutschen Asylrechts seit den 90er Jahren“
Abbau von Fehlanreizen und konsequente Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht haben
In dieser Sitzungswoche befasste sich der Deutsche Bundestag mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Nach Treffen in Brüssel und im Anschluss an den Flüchtlingsgipfel – dem Treffen der Bundesregierung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer – wurden in dieser Woche Ergebnisse der Verhandlungen in Gesetzesform gegossen. An diesem Donnerstag stand zunächst das Gesetz zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und weiterer Gesetze zur Debatte. Mit diesem von Bund und Ländern ausgehandelten sogenannten Flüchtlingspaket wird den Kommunen nicht nur weiteres Geld für die Betreuung von Flüchtlingen bereitgestellt. Das Paket favorisiert auch schnelle Asylverfahren und nimmt Asylanreize. Die Änderungen sollen ab 1. November in Kraft treten.
Spätestens dann sollen Asylverfahren auch noch weiter gestrafft werden. Wichtig dafür: die Einstufung von Albanien, Montenegro und dem Kosovo als sichere Herkunftsstaaten. In der Praxis heißt das: Wer künftig aus dem Westbalkan nach Deutschland kommt, verbleibt bis zum Abschluss seines Asylverfahrens und – gegebenenfalls – seiner Ausreise in Erstaufnahmeeinrichtungen. Das heißt außerdem aber auch: Sachleistungen statt Taschengeld. Als weitere Maßnahme folgt aus dem Gesetzespaket auch eine zügige und konsequente Abschiebung nicht Asylberechtigter. Wer keine Bleibeperspektive hat, muss Deutschland künftig schnell verlassen.
„Wir wollen mit diesem Gesetz Fehlanreize beseitigen, die dazu führen, dass sich viele Menschen falsche Hoffnungen machen“, so Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Mit der Einordnung des Kosovo, Montenegro und Albanien als weitere sichere Herkunftsstaaten will der Bundesinnenminister die Einreisewelle aus diesen Ländern stoppen – ohne zusätzliche Bürokratie. Die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, BAMF, würden die Entscheidung, wer Chancen auf einen Asyl- oder Flüchtlingsstatus habe und dementsprechend die Erstaufnahme verlassen dürfe, in erster Linie „an die Nationalität knüpfen und die Erfahrungen, die man damit gemacht hat.“ Derzeit warten de Maizières Angaben zufolge 60 000 Menschen mit abgelehntem Asylantrag auf ihre Rückreise. Sehr viele stammen aus einem der Länder des Westbalkans.
Forderungen der Opposition, vor allem Antragstellern aus Syrien zu gestatten, für die Zeit des Verfahrens bei Verwandten und Freunden unterzukommen, lehnt de Maizière ab. „Wir müssen in den Einrichtungen überhaupt erst einmal feststellen, ob es sich um Syrer handelt. Das ist nicht immer einfach. Oft fehlen die Papiere.“
Da sich die Flüchtlinge, die kommen, auf Regionen und Kommunen konzentrieren würden, in denen Menschen ihrer Nationalität untergekommen seien, wäre dieser freie Zuzug laut de Maizière „mit einer gerechten Lastenverteilung innerhalb Deutschlands nicht vereinbar.“ Durch die finanzielle Entlastung werden Länder und Kommunen in die Lage versetzt, ihre Aufgaben besser zu erfüllen. Letztendlich sollen die beschlossenen Maßnahmen die Kommunen finanziell massiv entlasten und ihnen die größtmögliche Unterstützung bei der Unterbringung, Aufnahme und Integration von Flüchtlingen geben. So wird etwa die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen künftig auf mehrere Schultern verteilt: Die Länder werden verpflichtet, diese Jugendlichen mit den Maßnahmen der Jugendhilfe zu betreuen. Der Bund leistet dazu eine finanzielle Unterstützung von 350 Millionen Euro jährlich.
Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl nannte die angestrebten Neuregelungen die „bedeutendste Reform des deutschen Asylrechts seit den 90er Jahren“. Erstmals werde dabei in den Asylverfahren zwischen schutzbedürftigen Flüchtlingen und offensichtlich nicht schutzbedürftigen unterschieden. Richtungsweisend sei, dass künftig eine Reihe von Einschränkungen mit dem Status sicherer Herkunftsländer verbunden werden. Flüchtlinge aus diesen Staaten blieben künftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen es kein Bargeld geben solle, und aus denen sie nach dem Asylverfahren direkt in ihr Heimatland zurückgeführt würden. Dies sei ein Signal an Flüchtlinge vom West-Balkan, dass ein Asylantrag für sie keinen Sinn mache und es für sie andere Möglichkeiten gebe, nach Deutschland zu kommen. Weil man den Schutzbedürftigen heute und in Zukunft helfen wolle, müsse man Hunderttausende abweisen, die nicht schutzbedürftig sind. „Nicht aus Hartherzigkeit, sondern aus der Einsicht in die Grenzen unserer Möglichkeiten“, fügte Strobl hinzu.