„Abgeltungsteuer verhindert Bürokratie“

Ein Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Olav Gutting

In einigen Parteien gibt es Pläne, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und Kapitalerträge wieder mit dem persönlichen Steuersatz zu belasten. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?

Vorschläge, die Abgeltungsteuer abzuschaffen, sind verfrüht. Bei der Diskussion um die Abgeltungsteuer wird oftmals vergessen, warum wir diese zum 01.01.2009 eingeführt haben: Wir wollten Kapitalflucht und Steuerhinterziehung durch eine einfache und zugleich im internationalen Vergleich attraktive Besteuerung verringern bzw. vermeiden. Das ist gelungen. Gedanken über die Abschaffung der Abgeltungsteuer sollte man sich erst dann machen, wenn der gleichmäßige Steuervollzug nach Einführung des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen auch tatsächlich funktioniert. Und damit meine ich nicht nur auf internationaler Ebene, auch auf nationaler Ebene müssen wir zunächst eine lückenlose Verarbeitung der übermittelten Daten sicherstellen. Wer hingegen schon jetzt die Abschaffung der Abgeltungsteuer fordert, der fordert im Ergebnis Ungerechtigkeit im Steuervollzug. Im Übrigen wird von den Gegnern immer gerne verschwiegen, dass mit der Abgeltungssteuer bereits heute schon Kapitalgewinne bei Dividenden letzlich mit knapp über 48% besteuert werden.

Die Politiker wollen die Bürger zum Sparen motivieren, z. B. für die Altersvorsorge. Ist eine stärkere Besteuerung da nicht kontraproduktiv?

Da der individuelle Einkommenssteuersatz in vielen Fällen mehr als 25 Prozent beträgt, würde eine stärkere Belastung von Kapitalerträgen gleichzeitig eine Steuererhöhung für sehr viele Anleger, auch solche mit mittlerem Einkommen, bedeuten. Zu Recht werden sich die Bürger daher die Frage stellen, ob sich das Sparen überhaupt noch lohnt, wenn die Nettorendite durch höhere Besteuerung noch weiter sinkt. Wenn wir daher auf der einen Seite die Bürger auffordern zu sparen, um ihre private Altersvorsorge zu stärken, auf der anderen Seite aber Kapitaleinkommen höher belasten, steht dies sicherlich im Widerspruch.

Die Abgeltungsteuer macht es den Sparern und Anlegern leicht, weil die Banken die Steuer automatisch einbehalten und damit die steuerlichen Pflichten meist erledigt sind. Würde eine Abschaffung der Abgeltungsteuer zu mehr Bürokratie führen?

Eine Abschaffung der Abgeltungsteuer bedeutet in der Konsequenz die Rückkehr zum vorherigen System. Dies würde bedeuten: Wiedereinführung des Halbeinkünfteverfahrens im Bereich der Dividendenbesteuerung sowie der Spekulationsfrist bei Wertpapieren; Aufhebung der eingeschränkten Verlustverrechnung von Kapitalerträgen und Zulassung des vollen Werbungskostenabzugs. Der Vereinfachungseffekt, den wir durch die Einführung der Abgeltungsteuer erreicht haben, würde dadurch zunichte gemacht, denn viele Steuerfälle, die derzeit gerade nicht veranlagt werden, müssten wieder veranlagt werden. Die damit zwangsweise verbundene Pflicht zur Angabe der Kapitalerträge in der Steuererklärung für den Steuerzahler und deren Bearbeitung durch die Finanzverwaltung würde gewiss zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand bei Steuerbürger und Verwaltung führen.

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