CDU-Abgeordneter Gutting: „Mit den drei Ministerien hat die SPD fast eine kleine Regierung“
Von Oliver Georgi / Olav Gutting MdB im Interview mit der FAZ
„Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt“, twitterte der CDU-Abgeordnete Olav Gutting nach der Einigung der Groko-Verhandler und wurde damit über Nacht bekannt. Er kann immer noch nicht fassen, wie viel die SPD bekommen soll – und wie wenig die Union.
Herr Gutting, mit Ihrem Tweet „Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt“ haben Sie nach der Einigung von Union und SPD Ihrem Ärger Luft gemacht. Hat die SPD so gut verhandelt, dass Ihnen nur noch Sarkasmus bleibt?
Für mich war es schon eine massive Überraschung, dass wir das Finanzministerium an die SPD abgeben. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet, vor allem nicht nach diesem Wahlergebnis im Herbst. Dass die SPD mit den drei wesentlichen Ministerien Finanzen, Außen und Arbeit aus den Verhandlungen heraus marschiert, darüber kann ich auch heute nur den Kopf schütteln. Das spricht nicht für eine gute Verhandlungsführung.
Damit meinen Sie offenbar Angela Merkel – hat sie sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen?
Wir haben uns unnötiger Weise in eine miserable Verhandlungsposition manövriert, weil wir von vorneherein eine Minderheitsregierung kategorisch ausgeschlossen haben. Dadurch standen wir in den Verhandlungen mit dem Rücken zur Wand.
Horst Seehofer betont, dass die Union im Gegenzug das erweiterte Innenministerium besetzen wird – ist das für Sie keine Kompensation für den Verlust des Finanzministeriums?
Das Finanzministerium ist nicht ersetzbar, auch nicht durch das Innen- oder das Wirtschaftsministerium. Nicht nur für die Europapolitik ist das Finanzministerium schließlich essentiell. Wolfgang Schäuble war in den letzten Jahren der Garant dafür, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten wird und dass wir Hilfen nur konditioniert geben. Und er war ein Garant für die schwarze Null. Das alles sehe ich nun in Gefahr.
Die CSU wird im künftigen Kabinett ebenfalls sehr wichtige Ministerien besetzen – schmerzt Sie das als CDU-Politiker auch?
Die Verteilung der Ministerien innerhalb der Unionsfamilie bereitet mir weniger Schmerzen als die drei, die die SPD erhält. Mit ihnen hat die SPD ja fast eine kleine Regierung. Das macht mir große Bauchschmerzen.
In der Union wird die Kritik an Angela Merkel wegen der Koalitionsverhandlungen und der Aufgabe des Finanzministeriums immer lauter. Wie sehr schwächt sie das als Parteivorsitzende?
Angela Merkel ist noch immer eine starke CDU-Vorsitzende. Es gibt viel Kritik an ihr, das stimmt, aber ich kann weder in der Fraktion noch in der Partei jemanden erkennen, der ernsthaft auf ihre Ablösung hinarbeiten würde. Die „Merkel-Dämmerung“, über die manche jetzt reden, ist eher eine Schimäre. Außerdem ist niemand unfehlbar, und wir können uns auch keine neue Parteivorsitzende backen.
Copyright: FAZ / Gutting / 08. Februar 2018