Fraktion direkt (27.01.2023)
Liebe Leserinnen und Leser, dass der Bundeskanzler einer ist, der zögert und zaudert, das konnten wir schon in vielen politischen Zusammenhängen beobachten. Auf die Spitze getrieben hat er die Sache allerdings mit der Hängepartie vor seiner Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Neun Monate brauchte er, bis er sich dazu durchringen konnte – gemessen ab dem Datum des Bundestagsbeschlusses zur Lieferung schwerer Waffen am 28. April 2022, den die Unionsfraktion auf den Weg gebracht hatte. Wir können nur hoffen, dass die Lieferung in ungefähr drei Monaten nicht zu spät sein wird für die Ukraine, sich gegen die absehbare russische Frühjahrsoffensive zur Wehr zu setzen. Im Bundestag hätten wir es gut gefunden, wenn der Kanzler zu dieser Entscheidung von hoher Tragweite eine Regierungserklärung abgegeben hätte. Hat er aber nicht. Stattdessen gab Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023 ab – unter dem anspruchsvollen Titel „Wohlstand erneuern“. Wie das angesichts der zahlreichen Herausforderungen für den Standort Deutschland geschehen soll, darauf gibt der Bericht jedoch keine schlüssigen Antworten. Darüber und über weitere Themen, die den Bundestag beschäftigt haben, lesen Sie in diesem Newsletter.
Ukraine: Lieferung von Kampfpanzern ist richtig
Die Unionsfraktion begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. Im Bundestag sagte Fraktionschef Friedrich Merz: „Diese Entscheidung ist richtig. Wir halten sie für angemessen.“ Dabei verwies er auf die Unerbittlichkeit der russischen Kriegsführung und die bevorstehende Frühjahrsoffensive. Gleichzeitig kritisierte Merz, dass der Entschluss mit großer zeitlicher Verzögerung gefasst wurde, während die Alliierten darauf drangen. Auf diese Weise sei diplomatischer Schaden in EU und NATO angerichtet worden, sagte er. Bei der Unterstützerkonferenz für die Ukraine in Ramstein habe die Bundesregierung die Chance verpasst, gemeinsam mit den Partnern voranzuschreiten. Auch der deutsch-französische Ministerrat sei eine verpasste Gelegenheit zum Schulterschluss gewesen.
Wahlrechtsreform: Koalition muss auf Union zugehen
Im Streit um die Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages erwartet Friedrich Merz, dass die Koalition auf die CDU/CSU-Fraktion zugeht. Der Reformvorschlag der Ampel wurde erstmals im Bundestag debattiert. Die Unionsfraktion befürwortet zwar die Verringerung der Sitzzahl, lehnt das Modell der Ampel jedoch ab. Danach würden Gewinner von Wahlkreisen ihre Sitze nur dann tatsächlich erhalten, wenn damit die Zahl der Mandate nach dem Zweitstimmenergebnis nicht überschritten wird. Die Bürgerstimme für den Wahlkreiskandidaten dürfe ihren Wert nicht verlieren, warnte Fraktionschef Merz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer Missachtung des Wählerwillens, wenn die Koalition ihren Vorschlag durchsetze. In ihrem eigenen Antrag schlägt die Union vor, die Zahl der Wahlkreise spürbar von 299 auf 270 zu verkleinern.
Inflation bekämpfen – Fitnessprogramm für die EU
Die horrende Inflation belastet nicht nur Europa, sondern auch die USA. Um die Wirtschaft zukunftsfähig zu machen, haben die USA ein Hilfspaket in dreistelliger Milliardenhöhe aufgelegt. Allerdings: Von den Geldern profitieren ausschließlich heimische Unternehmen. Damit Europa nicht abgehängt wird, tüftelt die EU-Kommission bereits an einem Fitnessprogramm für Europa und verhandelt mit Washington. Die Bundesregierung allerdings bleibt untätig. Die Unionsfraktion hat daher einen Antrag vorgelegt, in dem sie mögliche Reaktionen aufzeigt. So setzt sie sich für eine Gleichbehandlung europäischer Unternehmen mit amerikanischen ein. Damit Betriebe nicht in die USA abwandern, will sie eine Förderung von Zukunftstechnologien in der EU, zum Beispiel der Wasserstofftechnologie. Fördertöpfe dafür hat die EU genug. Neue Schulden aufzunehmen ist unnötig. Wichtig ist der Fraktion auch, dass die USA und Europa an einem Strang ziehen. Der Blick auf Russland, der Blick nach China zeigt: die transatlantische Partnerschaft ist wichtiger denn je.
Außerdem …
… vermisst die Unionsfraktion im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung Antworten auf die Herausforderungen, vor denen Unternehmen in Deutschland derzeit stehen. Die wirtschaftspolitische Sprecherin Julia Klöckner wirft der Ampel vor, dass Steuerentlastungen, Bürokratieabbau, ein Digitalisierungsschub, Freiraum für Innovationen, oder Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel im Bericht keine Rolle spielen. So aber werde Deutschland vom Wachstumsmotor zum Schlusslicht in Europa gemacht.
… setzt sich die Unionsfraktion für die Abscheidung und Speicherung von CO2 im Untergrund ein, um die Klimaneutralität wie geplant 2045 zu erreichen. In einem Antrag fordert sie, die rechtlichen Voraussetzungen für die Speichertechnologie und eine Infrastruktur für den Transport von verfestigtem Kohlendioxid zu schaffen.
… zeigt sich die Unionsfraktion enttäuscht darüber, dass die Koalition ihr Ziel verfehlt, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Fraktionsvize Ulrich Lange sprach von einem „baupolitischen Hammer“. Neben handwerklichen Fehlern warf Lange der Bundesbauministerin Gleichgültigkeit vor. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte er auf, Bauen und Wohnen zur Chefsache zu machen. Der baupolitische Sprecher Jan-Marco Luczak bemängelte das Programm der Koalition zur Eigentumsförderung als völlig unzureichend. Um Menschen in Deutschland zu helfen, den Traum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, hat die Unionsfraktion eigene Vorschläge vorgelegt.
… hat der Bundestag am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz der Opfer nationalsozialistischer Verbrechen gedacht. Im Mittelpunkt der diesjährigen Gedenkstunde stand eine Opfergruppe, die lange um Anerkennung kämpfen musste: Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität verfolgt wurden. Als Zeitzeugin des Holocausts sprach Rozette Kats zu den Abgeordneten. Sie hatte als jüdisches Kind unter falscher Identität überlebt und engagiert sich heute in der Gedenkkultur. Von seinem erzwungenen Doppelleben in der Nachkriegszeit berichtete der Homosexuelle Klaus Schirdewahn. Die Schauspieler Maren Kroymann und Jannik Schümann erinnerten an zwei vergessene Opfer-Schicksale.