Rede im Plenum zum Vierten Corona-Steuerhilfegesetz

Video der Rede von Olav Gutting MdB am 8. April 2022 im Deutschen Bundestag

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Redeauszug Olav Gutting (CDU/CSU): "Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es ja schon gehört: Die Bundesregierung muss zur Bekämpfung der Folgen der Coronapandemie schon zu Beginn dieser Legislaturperiode einiges tun. Allerdings fehlt mir der Glaube, dass mit den jetzt vorgesehenen minimalen und halbherzigen Korrekturen die wirtschaftlichen Einschränkungen, die wir haben, tatsächlich gelindert werden können. Gezielte Förderung von Unternehmen zu ihrer wirtschaftlichen Erholung – das hört sich gut an, und das benötigen wir dringend.

Aber was bedeutet das in Ihrem Entwurf? Es bedeutet den Aufguss der Maßnahmen des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes: die Verlängerung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten, die Verlängerung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie die Verlängerung der steuerlichen Investitionsfristen. Das sind bewährte Maßnahmen – sicher –, aber sie sind eben nicht ausreichend. Was bringt einem Unternehmen ein auf zwei Jahre ausgeweiteter Verlustrücktrag, wenn eben nur die pandemiebedingten Verluste mit weiteren Verlusten verrechnet werden dürfen? Wir fordern Sie daher auf, Herr Lindner, den Zeitraum des ertragsteuerlichen Verlustrücktrags auf mindestens drei Jahre über die Krisenjahre 2020 bis 2022 hinaus dauerhaft auszuweiten und auch die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag auf 15 Millionen Euro zumindest temporär zu erhöhen. Sie mähren hier rum: Das hättet ihr doch die letzten 16 Jahre alles machen können. – Jetzt muss ich mal sagen: Die letzten 16 Jahre hatten wir eine durchschnittliche Inflationsrate von durchgängig weit unter 2 Prozent. Jetzt haben wir 7 Prozent. Jetzt stehen wir vor einer Stagflation. Aber Sie gucken immer nur in den Rückspiegel. Ich sage Ihnen: Damit fahren Sie an die Wand.

Jetzt ist die Zeit zum Handeln. Jetzt brauchen wir mehr Power. Jetzt brauchen wir weniger Zaghaftigkeit. Denn nur so helfen Sie denjenigen, die Arbeitsplätze in diesem Land schaffen und erhalten, und damit am Ende auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ja, es gibt kleine Lichtblicke in diesem Gesetzentwurf, die wir durchaus unterstützen. Wir können natürlich zum Beispiel die Verlängerung der Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und die Verlängerung der bestehenden Regelung zur Homeoffice-Pauschale mittragen. Aber auch hier bei der Homeoffice-Pauschale: Warum schon wieder begrenzen? Entfristen Sie diese doch. Das wäre eine gute Signalwirkung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen in diesem Land. Nach wortreichen Ankündigungen insbesondere des Bundesgesundheitsministers schaffen Sie ja jetzt einen steuerfreien Coronabonus für besondere Leistungen des Pflegepersonals. Mit den im Gesetzestext vorgenommen Beschränkungen und Ausnahmen erreichen Sie allerdings nicht den Personenkreis, der tatsächlich zwei Jahre lang Heldenhaftes geleistet hat. Die Regelungen für die steuerfreien Bonuszahlungen von bis zu 3 000 Euro sind zu kompliziert. Sie sind auf einen zu kleinen Kreis beschränkt, und sie sind insbesondere nicht mit den öffentlichen Arbeitgebern abgesprochen, die hier ja auch Zahlungen avisiert haben.

Ich bin sehr dafür, dass wir alle Pflegekräfte und alle Unterstützer für ihren Einsatz vernünftig honorieren; das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber wir müssen auch an alle anderen Steuerpflichtigen denken, die aufgrund der hohen Inflationsrate aktuell großen Belastungen ausgesetzt sind. Deshalb fordere ich Sie auf – das haben wir heute Morgen schon mehrmals gehört –, dass wir bei der Einkommensteuer eben nicht nur Schönheitsoperationen vornehmen, sondern dass der gesamte Einkommensteuertarif unverzüglich an die steigende Inflation angepasst wird.

Mit der Erhöhung des Grundfreibetrages ist es nicht getan; denn damit wird der Tarif gerade im Eingangsbereich noch weiter gestaucht. Das Problem der kalten Progression wird dadurch noch verschärft. Legen Sie jetzt also den Fünften Steuerprogressionsbericht vor! Warten Sie nicht bis zum Herbst, sondern handeln Sie jetzt! Jetzt haben wir die Belastungen, und jetzt brauchen wir die notwendigen Tarifänderungen.

Machen Sie die Thesaurierungsbegünstigungen endlich auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv! Wir haben hierzu bereits Vorschläge gemacht. Sie lagen schon bei Bundesfinanzminister Scholz auf dem Tisch. Jetzt liegen Sie bei Ihnen auf dem Tisch. Handeln Sie endlich! Es ist dringend notwendig, diese Thesaurierungsbegünstigungen attraktiver zu machen.

Ein weiterer Punkt aus dem Gesetzentwurf ist die Verlängerung der Abgabefrist für die Steuererklärung. Das ist natürlich richtig und gut. Aber auch hier: Warum nur halbe Kraft? Sie wissen, dass ohne gleichzeitige Verlängerung der Offenlegungsfristen für die Jahresabschlüsse die Sache nur die Hälfte wert ist. Warum bleiben Sie hier bei der Hälfte stehen und gehen nicht den ganzen Schritt?

Man kann zusammenfassend festhalten: Die Maßnahmen in diesem Gesetzentwurf sind überwiegend zu begrüßen. Sie bleiben aber auf halbem Weg stecken. Da ist viel Kosmetik. Die Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um das erklärte Ziel dieses Gesetzentwurfes zu erreichen. Wie so oft: too little, too late. Ich freue mich auf die Anhörung; denn die bringt hoffentlich weitere Erkenntnisse."